[Klassikerjahr] Lewis Carroll

Neuer Monat, neuer Beitrag zu den Klassikern.

Und im Juni kommt der Beitrag etwas später, weil ich die erste Woche Urlaub hatte und das heißt meist auch Blogpause.

Um das nochmal kurz zu erklären, ich möchte im Jahr 2020 gerne 12 Klassiker lesen und auf meinem Blog vorstellen. Dafür habe ich mir schon eine Liste angelegt, die ihr hier in meinem Ankündigungsbeitrag nochmal nachlesen könnt.

Aber ich möchte nicht nur einfach das Buch lesen, sondern auch etwas über den Autor / die Autorin hinter dem Werk erfahren. Deshalb gibt es dann hier keine einfache Rezension.

In der letzten Zeit habe ich mich durch Zufall öfter im Wunderland aufgehalten. Zunächst einmal mit einer düsteren Adaption von Christina Henry, da habe ich mich getraut trotz Warnung dem Weißen Kaninchen zu folgen und hier könnt ihr gerne nachlesen wie ich es fand. Aber dann wollte ich für den Juni eh die Originalgeschichte von Lewis Carroll lesen und begab mich dann nochmals in diese verrückte Welt. Und hier möchte ich euch dieses Buch und seinen Autor nun vorstellen.

Zum Buch

Ich hatte Alice im Wunderland schon mit einem Exemplar im Regal stehen, aber nachdem ich gesehen habe, dass der Coppenrath Verlag den Roman innerhalb der echt wunderschönen Reihe um die Illustratoren MinaLima rausbringt, habe ich mich kurzerhand entschlossen dieses Buch zu kaufen und zu lesen. Und so kann man hautnah miterleben, wie die Grinsekatze verschwindet. 😉  

Für alle die die Geschichte nicht kennen, es geht um Alice, die eines Tages dem Weißen Kaninchen durch sein Kaninchenloch folgt und im Wunderland landet. Dort lernt sie nicht nur ganz wundersame Wesen und Leute kennen, wie den Hutmacher und den Märzhasen, die immer nur Tee trinken oder die Falsche Suppenschildkröte, nein, sie muss auch lernen das es schwierig ist sich selber genau zu kennen, wenn man ständig seine Größe ändert.
Das tolle an dem Buch, auch der zweite Teil Alice hinter den Spiegeln ist mit drin und so kommt man in den Genuss von beiden Geschichten. 🙂

Die Geschichte um Alice ist mir sehr bekannt, denn ich habe schon einige Verfilmungen gesehen und besonders in Erinnerung geblieben ist mir die zweiteilige Verfilmung von 1985. Hier werden auch beide Bücher erzählt und nachdem ich jetzt das Buch kenne, muss ich sagen, dass es wirklich recht nah am Buch geblieben ist. Deshalb konnte ich mit der Geschichte in Kindheitserinnerungen schwelgen, obwohl in meiner Ausgabe einige altbekannten Figuren andere Namen hatten und auch der Jabberwock (der anders heißt) keinen so großen Auftritt hat wie in dem Film den ich kenne.
Auf jeden Fall war es ein tolles Leseereignis und ich kann allen Alice Fans dieses Buch empfehlen und auch denen, die es vielleicht noch werden wollen. 😉

Obwohl der ganze Wortwitz des Buches wohl nur im Original rüberkommt, denke ich.

Im Kontext

Die Geschichte um Alice, die in einem wunderbaren Land landet, nahm seinen Anfang, als im Juli des Jahres 1862 zwei Männer in Begleitung von drei kleinen Mädchen in einem Boot auf der Isis entlang ruderten. Denn wie vertreibt man die Langeweile besser, als durch Geschichten erzählen? Und so begann Lewis Carroll von Alice Abenteuer zu berichten. Doch erst im Februar des nächsten Jahres, scheint ihm die Geschichte um Alice wichtiger zu werden, denn in seinem Tagebuch ergänzt er den Eintrag vom 4. Juli 1862: „Bei dieser Gelegenheit erzählte ich ihnen die Geschichte von Alices Abenteuer im Untergrund […]“.

An vielen Stellen in Alice im Wunderland kann man entdecken, dass er seine Erlebnisse mit hat einfließen lassen. Zum Beispiel am dritten Kapitel des Buches, wo Alice pitschnass mit einer Gesellschaft aus Vögeln und Mäusen zusammentrifft und man versucht sich zu trocknen. Dieses Erlebnis ist so ähnlich mit ihm, seinem Begleiter Duckworth und den drei Schwestern passiert. Und auch mit den Tiernamen drückt er die Verbundenheit zu den real existierenden Personen aus. Was leider an einigen Stellen in der deutschen Übersetzung verloren geht.
Auch sehr charakteristisch für Carroll sind natürlich die vielen Wortspiele und das der Aufbau eher an einen Traum vermuten lässt. Das liegt wohl daran, weil Carroll viele Assoziationen sofort notiert hat und auf „diese Weise hat er den Text mehrfach variiert und ergänzt“.

Nachdem Carroll dann sein Manuskript zu Alice im Wunderland für seine Freundin Alice Liddell im Februar 1863 fertig hatte, dauerte es dann jedoch noch zwei Jahre bis er es ihr letztendlich gab, denn er illustrierte das Buch zunächst noch selber.
Das komplett fertige Buch erschien aber als erste Auflage für die Öffentlichkeit erst im November 1865.

Zum Autor

Ich hatte schon einiges zu Lewis Carroll gehört, aber immer nur eher gerüchteweise und deshalb war ich sehr neugierig als ich mit der Biographie von Thomas Kleinspehn begonnen habe. Natürlich habe ich versucht völlig unvoreingenommen daran zu gehen, denn ich wollte Lewis Carroll ohne Vorurteile kennen lernen. 
Zunächst einmal war sein richtiger Name nicht Lewis Carroll, denn er hieß mit bürgerlichen Namen Charles Lutwidge Dodgson und wurde am 27. Januar 1832 geboren. Sein Vater war Landpfarrer und Carroll war der älteste Sohn. Vor ihm hatten seine Eltern zwei Töchter bekommen und nach ihm folgten dann noch acht weitere Geschwister.  
Schon als Kind erzählte er seinen Geschwistern gerne Geschichten und ließ sich dabei gerne immer wieder von neuen Dingen inspirieren, wie zum Beispiel die Eisenbahn, aber auch von alltäglichen Dingen, die er zum Beispiel im Garten mit seinen Geschwistern erlebte.

Seine Eltern waren dann wohl er die traditionellen Vertreter ihrer Zeit. Der Vater wird meist eher als sachlich und nüchtern beschrieben, aber Carrolls Mutter schien sich ganz ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter gewidmet zu haben und so wurde der kleine Charles die ersten Jahre sehr verwöhnt und umsorgt.
Bis zu seinem elften Lebensjahr wurde Charles zu Hause unterrichtet und als dann die finanziellen Einkünfte so gut waren, schickte Carrolls Vater ihn auf eine Schule außerhalb der Pfarrei. Dies war wohl sehr schwer für Lewis Carroll, denn er war bis dahin fast nur seine Welt innerhalb der Familie und ihren religiösen Gepflogenheiten gewohnt.
Wenn man das alles so liest, hat man sehr stark das Gefühl, dass es Lewis Carroll wohl recht schwer hatte sich mit anderen Menschen zurechtzufinden. Dazu kam, dass er auch lange Zeit stotterte und er deshalb vermied öffentlich zu reden. An diesem Teil der Biographie tat er mir noch sehr leid, weil er wie ein Außenseiter wirkt, der nur schwer Kontakte schließen kann und für sich in seiner eigenen kleinen Welt lebt. Aber später dann war ich doch etwas geschockt als ich weiter über ihn las.
Denn ich persönlich finde es sehr seltsam, dass er so extrem die Nähe zu kleinen Mädchen gesucht hat. Nicht nur als Inspirationsquelle für seine Geschichten, wie es bei Alice Liddell der Fall war, sondern später als er die Kamera für sich entdeckte auch als Motive für seine Fotos.

Wobei ich es wirklich sehr seltsam finde, dass Seiten aus seinem Tagebuch geschwärzt bzw. verschwunden sind. Warum wenn er nichts zu verbergen hatte?

Aber zunächst einmal zurück zum Autor Lewis Carroll. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Autoren seiner Zeit war er schon zu seinen Lebzeiten bekannt, denn nicht nur Alice im Wunderland verkaufte sich gut, auch der Nachfolgeband Alice hinter den Spiegeln wurde zum Erfolg.
Doch 1856 beginnt sich Carroll trotz seiner Bucherfolge seiner zweiten Leidenschaft zu widmen: er beschäftigt sich ausgiebig mit der Fotografie. Und da zunächst besonders mit der Porträtfotografie. Fast 25 Jahre wird dies zu seiner Passion. Und auch hier fing es an für mich immer merkwürdiger zu lesen wie das Leben von Carroll weitergeht. Denn es bleibt Beileibe nicht bei den Porträts, denn ab den 1870er Jahren möchte er die Kinder in ihrer „Unschuld“ fotografieren. Und ganz ehrlich, warum das die Eltern zugelassen haben kann ich nicht nachvollziehen. Durch seinen Witz und seine Sprachspielereien in seinen Büchern gilt er heute als einer der Begründer der Nonsens-Literatur, aber durch die Bilder die ich gesehen habe, die er gemacht hat, kann ich ihn leider nicht mehr so unschuldig betrachten wie vorher. Ich habe versucht die Biographie vollkommen unvoreingenommen zu lesen, aber leider konnte ich das gegen Ende nicht mehr machen.

Alice im Wunderland hat mir sehr gut gefallen und besonders die Ausgabe aus dem Coppenrath Verlag ist wieder ein totaler Hingucker, aber leider hat mir diesmal die Biographie des Autors etwas die Freude an seinem Buch getrübt. Irgendwie fand ich es ganz seltsam und merkwürdig und gab mir ein komisches Gefühl.

Nun gehe ich diesmal mit gemischten Gefühlen zur nächsten Autorin und bin gespannt was mich in Sturmhöhe von Emily Bronte erwartet.

Ich freue mich über jeden Kommentar zu meiner Klassikerreihe. 😀

Liebe Grüße
Eure Diana

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Jürgen Albers

Hallo Diana,
zu der Frage, ob Carroll unangemessene sexuelle Tendenzen hatte, würde ich den Artikel in der englisch-sprachigen Wikipedia-Ausgabe empfehlen. Dort findest du auch eine Reihe von Quellen zum weiteren Einlesen. Und – um es vorweg zu nehmen – du wirst nach dem Lesen wahrscheinlich deutlich weniger Bauchschmerzen haben.
Liebe Grüße, Jürgen

Buchperlenblog

Liebe Diana! Wenn das mal kein gebührender Alice-Monat ist! ♥ Die Ausgabe aus dem Coppenrath Verlag ist wieder sensationell schön, das kann ich absolut nachvollziehen, dass die einziehen musste 😀 Dodgson war vermutlich ein äußerst merkwürdiger Mensch, der es aber doch immer wieder geschafft zu haben scheint, die Leute von sich und seinen guten Absichten zu überzeugen. Ich empfand die Fotos der Mädchen, die nach ALice und ihren Schwestern kamen, auch immer als etwas suspekt, aber wer weiß? Vllt sah man das damals noch nicht ganz so eng mit den nackten Kindern. Lass dir davon bitte nicht die Freude am… Weiterlesen »

trackback

[…] Verlag, aber irgendwie war mir Lewis Carroll recht suspekt. Aber auch hier könnt ihr meinen Klassikerbeitrag dazu gerne lesen, wo ich das genauer […]

Jana

Hallo Diana,   ich finde es toll, dass du dir nach Alice noch die Carroll-Biographie vorgenommen hast. Ich hatte – auch wegen der Gerüchte, die über den Autor kursieren – auch das Bedürfnis, im Nachhinein etwas über ihn sein Leben und die unangemessen anmutenden Fotomotive zu lesen. Mir hat’s im Nachhinein auch den Spaß an Alice getrübt und ich werde das Buch nicht mehr ohne die Gedanken an seinen Autor im Hinterkopf betrachten können. Kürzlich ist ein Krimi zum Carroll-Thema und den verschwundenen Tagebuchseiten erschienen „Der Fall Alice im Wunderland“ von Guillermo Martínez. Ich lese selten Krimis, aber den wollte… Weiterlesen »

[…] Lesewelle […]

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