Der Horror der frühen Chirurgie von Lindsey Fitzharris

Ein gutes informatives Buch, bei dem man froh ist nicht während des Ersten Weltkrieges gelebt zu haben. 

Ich bedanke mich bei vorablesen und dem Suhrkamp Verlag für das Rezensionsexemplar. Diese Rezension gibt meine Meinung wider und wurde in keiner Weise beeinflusst. 

Inhalt

Heutzutage machen sich viele Menschen keine großen Gedanken mehr, wenn es um Schönheitsoperationen geht. Aber die plastische Chirurgie hat ihren Ursprung im Ersten Weltkrieg, und zwar aus ganz furchtbaren Gründen. Dieses Buch erzählt davon und von Harold Gillies, dem Pionier in Sachen Gesichtschirurgie.

Am 11. Januar 1916 erhielt Gillies vom Kriegsministerium den Befehl, sich im Cambridge Military Hospital zu melden, mit dem besonderen Auftrag, eine Abteilung für plastische Chirurgie einzurichten. Jetzt musste er nur noch beweisen, dass er der Aufgabe gewachsen war.“

S. 82 – 3 Ein besonderer Auftrag

Meine Meinung

Das Cover ist…

Das Cover gefällt mir sehr gut, genauso wie auch das Cover von ihrem ersten Buch zum Thema Medizin. Nur das dieses hier blau ist anstatt rot. Wer im Übrigen mehr über Der Horror der frühen Medizin wissen möchte, kann hier meine Rezension dazu nachlesen.

Aber nun zur frühen Chirurgie.

Das Buch war wieder, wie auch das erste Buch von Lindsey Fitzharris, sehr gut geschrieben. Sie recherchiert zu dem Thema sehr gut und verpackt das in einer anschaulichen Geschichte. Wobei Geschichte hier das falsche Wort ist, denn es ist und bleibt ein Sachbuch, dass informiert und manchmal auch schockiert.

Zunächst befand ich mich zusammen mit dem Soldaten Percy Clare in Cambrai. Ich erlebe mit, wie es ist unter Beschuss zu stehen und wie eine Kugel durch Percys Wange schießt. Nun scheint alles vorbei zu sein, denn ein Soldat, der im Gesicht verletzt wird, hat keine große Chance auf Heilung.
Ein Glück für die Soldaten, dass es Männer wie Gillies gab, die unermüdlich darum gekämpft haben, aus den Gesichtsverstümmelten wieder Menschen zu machen. Wobei Percy Clare nur eines der vielen Beispiele im Buch ist.

Ich habe sehr mitgelitten, als ich gelesen habe, wie die Männer damals behandelt wurden, nachdem sie aus dem Krieg wieder zurückgekehrt wurden. Nicht nur, dass es natürlich für einen selbst traumatisch und schwierig ist mit einer Verletzung im Gesicht weiterzuleben. Nein, es wurden teilweise Verlobungen aufgelöst, Kinder hatten Angst vor ihren Vätern und die Öffentlichkeit wendete sich von einem ab. Und trotzdem gebe ich zu, dass ich ganz froh war, dass es keine Fotos in dem Buch gab. Aber mehr, weil ich sonst bestimmt noch mehr mitgelitten hätte.

Gesichtsverstümmelte Soldaten lebten nach der Heimkehr aus dem Krieg oft in selbstgewählter Isolation von der Gesellschaft. Die abrupte Verwandlung vom „normalen“ zum „entstellten“ Menschen war nicht nur ein Schock für den Betroffenen selbst, sondern auch für seine Angehörigen und Freunde.“

S. 24 – Prolog „Ein abstossendes Ding“

Gillies hingegen hat mich tief beeindruckt. Er wird von der Autorin als netter, lebenslustiger Mensch beschrieben, der immer ein Lächeln für seine Patienten hatte und den Menschen hinter der Verletzung gesehen hat. Und trotzdem ist es seinem Ehrgeiz geschuldet, dass die plastische Chirurgie vorangeschritten ist, denn mit den vielen neuen Waffen im Militär, mussten auch neue Methoden entwickelt werden, um die Menschen zu heilen.
Natürlich war er das nicht alleine, denn viele andere Mediziner oder auch nicht Mediziner standen ihm zur Seite oder haben ihm Anreize geliefert, wie man den Soldaten des Ersten Weltkrieges helfen konnte.

Ab dem Moment, als an der Westfront das erste Maschinengewehr ratterte, stand eines fest: Die Fortschritte in der Militärtechnologie stellten die Medizin vor ungeahnte Herausforderungen.“  

S. 17 – Prolog „Ein abstossendes Ding“

Einzig ein wenig gestört hat mich, dass ich öfter mal das Gefühl hatte als würde ich Sätze zweimal lesen. Vieles ähnelte sich und da die Autorin nicht immer chronologisch erzählt hat, weil sie zum Beispiel jemand vorgestellt hat, der/die auch damals praktiziert hat, tauchten manche Dinge eben mehrmals im Text auf. Diese redundanten Stellen fand ich als Leserin nicht spannend.

Ansonsten war ich aber wie gesagt von der Bandbreite an Wissen geplättet und habe wirklich vieles neues erfahren. Ein sehr informatives Buch.


Mein Fazit

Auch wenn ich an einigen Stellen ein Déjà-vu Gefühl hatte, weil der Satz so oder so ähnlich bereits einige Seiten vorher auftauchte, bin ich sehr begeistert von diesem Buch. Ich habe mit den Soldaten mitgelitten und habe gehofft, dass sie das Glück haben zu Gillies zu kommen. Ein wahnsinnig interessanter Mensch, der sich sein Leben lang für die Belange seiner Patienten einsetzte und immer versucht hat dem Menschen hinter der Fassade zu helfen. Wer sich für Medizin interessiert, sollte sich unbedingt dieses Buch ansehen. Eine Empfehlung von mir!    

Fakten zum Buch
Autorin: Lindsey Fitzharris
Titel: Der Horror der frühen Chirurgie
Originaltitel: The Facemaker. One Surgeon‘s Battle of mend the disfigured Soldiers of World War I
Übersetzung: Volker Oldenburg
Verlag: Suhrkamp
Seitenzahl: 322
ISBN: 978-3-518472798
Preis: 20,00€

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Nicole

Guten Morgen Diana,

das Buch habe ich letzte Woche erst auf die Wunschliste verfrachtet, weil ich schon andere positive Rezensionen dazu gelesen habe.

Dass es keine Bilder in dem Buch gibt, finde ich gut. Auch wenn diese Männer längst verstorben sind, wird dadurch der Respekt vor ihnen gewahrt. Sie haben sicherlich nicht gern mit diesen Gesichtern gelebt und sich wahrscheinlich teilweise dafür geschämt und diese nicht gern hergezeigt. Daher sollte diese 100 Jahre später auch nicht in einem Buch für die Öffentlichkeit abgebildet werden.

Meine Wunschliste wird immer länger und länger.

Liebe Grüße
Nicole

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