Die Wut, die bleibt von Mareike Fallwickl

Der Titel sagt genau das aus, was auch in mir passiert ist. 

Inhalt

Helene kann nicht mehr und eines Tages steht sie vom Tisch auf und stürzt sich vom Balkon. Doch die Frauen, die zurückbleiben, müssen diese Lücke schließen. Ihre Tochter Lola, die sich nicht in das Frauenbild reinpressen lassen möchte und Helenes Freundin Sarah, die selbstverständlich den hinterbliebenen Mann Johannes unterstützt.

Sie ist mit drei Schritten vom Abendbrottisch bei der Balkontür, öffnet sie, schaut nicht zurück, macht noch zwei weitere Schritte. Und dann diesen einen.“

S. 9

Meine Meinung

Das Cover ist…

Um ehrlich zu sein ist mir auf dem Cover etwas zu viel los. Die Farben und die Schrift, mir persönlich gefällt das Cover nicht so gut.

Dafür die Geschichte umso mehr. Eine Geschichte mit vielen klassischen Rollenbildern, die aber leider manchmal so wahr sind und die mich geschmerzt und auch wütend gemacht hat.

Die ganze Zeit präsent ist Helene, obwohl sie bereits am Anfang der Geschichte stirbt, aber sie ist das Bild einer Mutter, die überfordert ist und keine Hilfe bekommt, sondern nur liefern muss. Die Kinder wollen Aufmerksamkeit und ihr Mann erwartet das alles läuft und er sich nicht kümmern muss. Und genauso geht es auch nach dem Selbstmord weiter. Was mich am meisten geschockt hat, war das Johannes nicht mal für eine kurze Zeit bei seinen Kindern bleibt und trauert, sondern sein Leben einfach weiterlebt. Er geht zur Arbeit und ist sich sicher, dass irgendeine Frau in seinem Leben sich um den Haushalt und die Kinder kümmert. Sei es seine Mutter, die schwerkrank ist oder Sarah, die beste Freundin von Helene, die keine eigenen Kinder hat und sich in eine vollkommen neue Welt einfinden muss.

An deinem ersten Morgen hier, sagt sie, als Maxi gekotzt hat und Lucius gestürzt ist, was hat Johannes getan? […] Johannes hat auf die Uhr geschaut. Oh, er meint es nicht böse, er liebt sie. Aber wozu sollte er sich kümmern? Ihr wart ja da, ihr beiden. Die Frauen, die machen das. So ist er es gewöhnt, und er hinterfragt es nicht.“

S. 173 – Tempo

Entsetzt war ich da nicht nur über Johannes, sondern auch über Sarah selber. Sie nimmt das alles so hin und wehrt sich nicht, wenn Johannes sagt, dass es ab September eine andere Lösung mit den Kindern finden wird und es dann Dezember wird und immer noch nichts passiert ist. Oder wenn ihr eigener Freund sie in das Bild der hübschen, schlanken, kinderlosen Frau drängt. Egal wo man hinschaut in dem Buch, es ist voll von typischen Rollenbildern. Denn auch die Männer sind gefangen und kommen nicht aus ihrer Haut raus.

Einzig Lola, Helenes Tochter, versucht auszubrechen und möchte einfach nur sie selber sein. Sie möchte nicht auf ihren Körper reduziert werden, ob er zu schlank oder zu dick ist, und beginnt mit ihren Freundinnen ein Leben außerhalb von Konventionen. Wie sie das genau macht, fand ich persönlich auch nicht so gut, denn letztendlich ist sie dann nicht besser als diejenigen, die sie verurteilt, aber ich kann den Ansatz nachvollziehen.

Die Wut, die bleibt am Ende, aber nicht nur auf Helene, die keinen anderen Ausweg mehr sah als den Selbstmord, sondern auch auf die Gesellschaft, die viel darüber redet, dass sich was ändern muss, aber doch nichts tut.

Keiner von uns ist es angeboren, es gibt kein geheimes Wissen, das uns zu Müttern macht, keinen Genvorteil. Aber jeder erwartet von uns, dass wir ab der Sekunde der Geburt nie einen Fehler im Umgang mit einem Kind machen, weil wir angeblich einen Instinkt dafür haben.“

S. 101/102 – Ungewollte Gleichklänge

Und auch die Pandemie ist ein Thema in dem Buch, weil sich da zeigte, wer die Last letztendlich am meisten trug. Die Mütter, die zu Hause blieben mit ihren Kindern und Homeschooling machten und nicht raus konnten, um mal was anderes zu unternehmen.

Das Ende gibt ein wenig Hoffnung und doch ist die Frage, was die beteiligten Personen wirklich daraus machen oder ob sie einfach wieder in die Rollenbilder zurückfallen. Weil das ja doch am einfachsten ist.

Gelesen habe ich das Buch gemeinsam mit Jennifer von Lesen in Leipzig und der Austausch darüber war genauso aufwühlend und bewegend und hat mir sehr viel Spaß gemacht. 🙂


Mein Fazit

Ein Buch, dass wütend macht, das genau da weh tut, wo es schmerzen soll. Es zeigt in vielen klassischen Klischees, wie die Rollen in unserer Gesellschaft verteilt sind und wie schwer es fällt auszubrechen. Wenn man das denn überhaupt möchte, denn leichter ist es einfach so weiterzumachen, wie mensch es gewohnt ist.  Mareike Fallwickl zeigt gekonnt die Denkfehler auf, die immer noch vorherrschen und ich finde dieses Buch ist einfach ein Lese-Muss! Ganz klare Empfehlung!  

Fakten zum Buch
Autorin: Mareike Fallwickl
Titel: Die Wut, die bleibt
Verlag: Rowohlt
Seitenzahl: 377
ISBN: 978-3-498002961
Preis: 22,00€

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